Heute ist ein Tag des Aufbaus und der Zerstörung.
Tag des Aufbaus
Der 9. November ist ein Tag des Aufbaus: Die Kirche feiert den heutigen Tag als Fest der Weihe der Lateranbasilika. Sie ist die älteste Papstkirche, die eigentliche Kathedrale des Bistums von Rom und führt den Titel „Mutter und Haupt aller Kirchen des Erdkreises“. Im anliegenden Lateranpalast residierten die Päpste vom 4. bis zum 14. Jahrhundert, bevor sie an die Peterskirche in den Vatikan umzogen. Die Lateranbasilika wurde von Kaiser Konstantin errichtet und am 9. November 324 von Papst Silvester I. eingeweiht. Der 9. November – ein Tag des Aufbaus.
Tag der Zerstörung
Der 9. November ist auch ein Tag der Zerstörung: Mit dem Angriff auf jüdische Menschen und ihre Synagogen in der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 legte das NS-Regime sein Ziel offen, das jüdische Volk gänzlich auszulöschen. Die breite Mehrheit der Getauften ließ diese Verbrechen in mutlosem Schweigen geschehen. Zu tief waren in den Kirchen Ablehnung und Ausgrenzung jüdischer Menschen verwurzelt. Zweitausend Jahre des christlichen Antisemitismus machten gefühllos gegenüber staatlich propagiertem Hass und der organisierten Vernichtung jüdischen Lebens. Der 9. November – ein Tag der Zerstörung.
Zerstörung und Aufbau
Schließlich ist der 9. November Tag einer Zerstörung, die den Aufbau von etwas Neuem ermöglichte: Am 9. November 1989 fiel die Mauer. Es war der Anfang vom Ende des kommunistischen Regimes hier in Ostdeutschland. Der Weg wurde frei zum Aufbau eines vereinten Deutschlands. Ich erinnere mich noch, wie ich im Sommer 1990 einige kleine Bruchstücke der Berliner Mauer erwarb. Sie liegen bis heute im Haus meiner Eltern auf der Wohnzimmeranrichte. Auch werde ich nie vergessen, wie ich meine Mutter damals begleitete, als sie zum ersten Mal seit 35 Jahren aus dem Westen in ihr brandenburgisches Heimatdorf fuhr, um ihre Verwandtschaft wiederzusehen – etwas, was sie, die Frau eines Bundeswehroffiziers, noch ein Jahr zuvor nie zu träumen gewagt hätte. Der 9. November – ein Tag von Zerstörung und Aufbau.
Auch im heutigen Evangelium (Joh 2,13-22) geht es um Zerstörung und Aufbau: Jesus treibt die Händler aus dem Tempel, verschüttet das Geld der Wechsler und wirft ihre Tische um. Damit nimmt er symbolisch die Zerstörung des Tempels im Jahre 70 vorweg. Nach christlicher Anschauung tritt an die Stelle des Tempels aus Stein, Metall und Holz der Tempel des Leibes Christi – und zwar in einem zweifachen Sinne: Sowohl der Auferstandene selbst ist der neue Tempel (vgl. Joh 2,21) als auch das Volk Gottes, das seit Jesus aus jüdischen und nichtjüdischen Menschen besteht (vgl. 1 Kor 3,9c.16). So ermöglicht Jesus den Aufbau eines geistigen Tempels aus lebendigen Steinen (vgl. 1 Petr 2,4f).
Beten wir heute in besonderer Weise darum, dass Gott alles in uns zerstöre, was uns Menschen von ihm und voneinander trennt, und dass er alles in uns aufbaue, was uns in Glauben, Hoffnung und Liebe zusammenführt! So werden wir gemeinsam zum Haus Gottes – zum Ort seiner Gegenwart und seines Wirkens in der Welt.